Keine gewöhnliche Beilage, sondern ein Glas voller Überraschung: süss, scharf, fruchtig und herrlich eigenwillig. Kaum auf dem Tisch, stiehlt Feigensenf Käse, Brot, Grillgemüse und sogar Salatsaucen die Show. Wer einmal probiert, fragt sich unweigerlich: Warum gibt es nicht mehr davon? Und genau deshalb lohnt es sich, Feigensenf selber zu machen.
Direkt zum rezeptAls Kind fand ich Chili so bedrohlich wie Feuerwerk 🧨 ohne Sicherheitsabstand. Aber Senf und Meerrettich? Das war mein persönlicher Nervenkitzel – nicht im Bauch, sondern in der Nase. Ich liebte es, wenn es kurz brannte, die Tränen liefen und ich trotzdem gleich den nächsten Löffel wollte. 😎
Wenn bei uns zu Hause im Herbst zum ersten Mal der Racletteofen hervorgeholt wurde, freute ich mich weniger auf den geschmolzenen Käse 🧀 als auf die Senffrüchte, die so herrlich in der Nase kitzelten. Während die anderen über Kartoffeln 🥔 und Beilagen diskutierten, liess ich mich ganz vom süss-scharfen Aroma verzaubern.

Und so wurde der Senf früh zum Erlebnis: von mild bis kräftig, grobkörnig oder cremig glatt, klassisch wie Dijon oder überraschend süss, wie der Senf, der in Bayern zu Weisswürsten serviert wird. Dass sich diese Gratwanderung zwischen Schärfe und Süsse noch weiter ausreizen lässt, zeigt Fruchtsenf. Aus unseren kleinen Senfexperimenten wurde irgendwann Feigensenf – erst aus Neugier, dann aus Überzeugung. 😋
Senf Geschichte – vom Mustum Ardens bis Dijon
Schon die Römer wussten den besonderen Kick der kleinen Körner zu schätzen. Aus zerstossenen Samen und Traubenmost mischten sie ihr Mustum Ardens, den «brennenden Most». Der Name klingt bis heute nach «Mostarda», wie Senffrüchte in Italien heissen. Erstaunlich vieles an der Rezeptur hat sich seither kaum verändert. Senfsamen, Säure, Salz und Gewürze bilden bis heute die Basis jedes Senf-Rezepts.


Im Mittelalter wurde Senf zum festen Bestandteil der europäischen Küche. Er wurde in Klöstern hergestellt und auf Märkten verkauft. Bald fand man ihn auf den Tischen von Bauern ebenso wie auf den Tafeln der Fürstenhäusern. Besonders die Stadt Dijon 🇫🇷 in Burgund erlangte ab dem 13. Jahrhundert Ruhm als Senfstadt. Der entscheidende Durchbruch gelang jedoch im Jahr 1856, als Jean Naigeon Essig durch Verjus, den Saft unreifer Trauben, ersetzte und damit den Dijon-Senf so elegant machte, wie wir ihn heute kennen.
Auch die Schweiz schrieb ein Kapitel dieser Geschichte. 1907 begann man hier Senf industriell abzufüllen, zunächst als «Langenthaler Senf», später unter dem Namen Thomy. Mit der Tubenverpackung in den 1930er-Jahren war Senf plötzlich nicht mehr nur Würze, sondern auch praktischer Alltagsbegleiter, und das ist er bis heute geblieben.
Von Zwetschge zu Feige und warum die Rigi mitmischt
Unser Zwetschgensenf ist längst ein Klassiker. Zum ersten geselligen Abend im Herbst steht das Glas wie selbstverständlich auf dem Tisch. Freunde und Familie wären enttäuscht dreinschauen, wenn wir ohne ihn auftauchen würden.

Letztlich hat mein Onkel an der Tür geklingelt und eine Kiste voller Feigen abgestellt. Nicht aus Apulien oder Griechenland, sondern vom Vierwaldstättersee. Am sonnigen Südhang der Rigi ist das Klima so mild, dass sich Feigenbäume fast wie am Mittelmeer fühlen. Plötzlich hatten wir mehr Früchte, als wir zu Feigenkonfi verarbeiten oder auf Flammkuchen unterbringen konnten. Also wagten wir einen neuen Versuch mit Fruchtsenf. Das Ergebnis war so gut, dass die Gläser schneller geleert waren, als wir neue Beilagen auf den Tisch stellen konnten. 🤭
Feigensenf selber machen – mehr als nur Einkochen
Fruchtsenf ist keine Wissenschaft, sondern ein Balanceakt. Feigen liefern Süsse und Tiefe, aber erst die Säure hält sie in Balance. Der Senf selbst darf nicht zu dominant sein, sondern soll wie ein kleiner Funke durch die Frucht tanzen. Entscheidend ist auch die Textur: streichzart, aber nicht marmeladig, mit Charakter, aber ohne Brocken. Wer sorgfältig arbeitet, hält am Ende ein kleines Glas Spätsommer in den Händen, das bis zur nächsten Feigensaison haltbar ist. Wichtig: Sterile Gläser und heisses Abfüllen sind das A und O.

Unser Feigensenf-Rezept ist accidentally vegan, wir mussten bei der Zubereitung überhaupt nichts anpassen. Der Fruchtsenf passt nicht nur zu pflanzlichem Raclettekäse, sondern auch zu grilliertem Gemüse, knusprigem Brot, veganen Würstchen oder als raffinierter Kick in einem Salatdressing. 🥬
Ein Tipp am Rande: Plane lieber gleich ein paar Portionen mehr ein! Denn spätestens beim nächsten Abend mit Freunden wandern die Löffel durch die Runde und ehe du dich versiehst, ist das Glas leer. Dann wirst du gefragt, ob du nicht «zufällig» noch eines im Keller hast. Wenn nicht, musst du dich womöglich mit Cornichons retten.

Das Glas, das Gespräche entfacht
Feigensenf selber machen lohnt sich nicht nur geschmacklich: Er ist keine gewöhnliche Beilage, sondern ein kleiner Luxusmoment. Er passt zu Brot, Bowls, Grillgemüse oder als feine Note in einer Vinaigrette. Vor allem aber bringt er Menschen ins Gespräch. Plötzlich sitzt jemand mit glänzenden Augen am Tisch und sagt: «Also dieses Glas, das müsst ihr nächstes Jahr unbedingt wieder machen.»

Mein Fazit nach vielen leer gelöffelten Gläsern klingt simpel: Mach Feigensenf nicht nur für dich. Mach ihn, um ihn zu teilen. Denn so klein ein Glas auch ist, es sorgt für grosse Momente. 💜

Das brauchts
- 500 g Feigen frisch
- 200 g brauner Zucker
- 100 ml Rotwein*
- 2 EL Aceto Balsamico*
- 50 g Senfkörner gelb*
- ½ TL schwarze Pfefferkörner
- ½ TL Koriandersamen
- ¼ TL Salz
So wirds gemacht
- Feigen waschen, trocken tupfen und klein schneiden
- Zucker, Rotwein und Aceto Balsamico in einem Topf aufkochen
- Feigenstücke beigeben und mit geschlossenem Deckel 10 Min köcheln lassen
- Senfkörner, Koriandersamen und Pfefferkörner im Mörser mahlen
- Gemahlene Gewürze zu den Feigen geben und weitere 10 Min bei mittlerer Hitze einköcheln lassen
- Feigenmasse mit dem Stabmixer pürieren
- Sterilisierte Gläser vorbereiten und den heissen Feigensenf einfüllen
- Gläser sofort verschliessen und kopfüber auskühlen lassen
Tipp!
- Wenn du den Rotwein ersetzen möchtest, nimm stattdessen Trauben- oder Apfelsaft und füge etwas mehr Balsamico für die Säure hinzu.
- Mahle die Senfkörner erst kurz vor dem Kochen, dann ist das Aroma besonders intensiv.
- Koche die Masse nicht zu dick ein, beim Abkühlen wird der Feigensenf von selbst noch fester.
- Achte darauf, dass deine Gläser wirklich steril sind, so bleibt der Feigensenf sicher haltbar.
- Ungeöffnet an einem dunklen, kühlen Ort gelagert ist dein Feigensenf bis zu einem Jahr haltbar. Nach dem Öffnen solltest du ihn im Kühlschrank aufbewahren und innerhalb weniger Wochen geniessen.
